Jane und David Gumpert in Darmstadt: November 2023

Die Stadt Darmstadt lädt alle 5 Jahre Nachkommen ehemaliger Darmstädter jüdischer Familien zu einem Besuch ein. Termin ist jeweils die Woche um den 9. November, dem Tag des deutschen Judenprogroms von 1938.

In diesem Jahr weilten auch der Neffe von Inge Joseph, David Gumpert, und seine Frau Jane in unserer Stadt. Seit dem Sommer hatte ich Kontakt mit dem Ehepaar und wir verabredeten, dass wir uns während ihres Aufenthalts auf jeden Fall öfters treffen würden.

Vorerst hier einige Bilder und Anmerkungen zum Treffen.

8. November: Empfang auf Einladung der Stadt im Restaurant Glasschrank. Gumperts und ich sitzen, auf dem Foto nicht erkennbar, ganz am Ende der Tafel. 

Am Vormittag des 9. November besuchten wir die Stolpersteine der Familie Neu am Ludwigsplatz 9. Inge Josephs Mutter ist eine gebürtige Neu und am Ludwigsplatz aufgewachsen.
Anschließend gingen wir, das waren ich, David und Thomas Schmirler, 
der Autor des Stolpersteinberichts zu Clara Joseph, zum Stolperstein von Clara Joseph, der Tante von David Gumpert, in der Alicenstraße. Dort entstand das Foto.

Abends waren wir zur Gedenkveranstaltung 9. November in die jüdische Synagoge eingeladen, wo wir Zeuge von zwei sehr berührenden Reden wurden: die von David Neumann und die Rede vom OB der Stadt.

(Die Reden und ein Beitrag von Schülerinnen der Edith-Stein-Schule sind online als Video zugänglich: https://jg-darmstadt.de/aktuelles.)

Gedenkveranstaltung am 9. November in der Neuen Synagoge in Darmstadt. Gumperts sitzen in der (von hinten gezählt) 4. Reihe in der Mitte. Ich saß oben links, bin aber noch nicht auf dem Foto, da es lange dauerte, bis wir eingelassen wurden. Ich konnte die Synagoge nur betreten, weil ich den Vorsitzeden der Jüdischen Gemeinde, David Neumann, am Vorabend kennenlernte.

Am Wochenende fiel ich als Begleiter aus, da mich ein kurzer grippaler Infekt schachmatt setzte.

Am Montag machten ich und Thomas Schmirler mit David eine Rundfahrt mit dem Taxi zu zentralen Orten der Familiengeschichte.
Zuerst zur Rundeturmstaße, wo einst das Gefängnis des Landgerichts Darmstadt war und Julius Joseph, der Vater von Inge Joseph (und damit Großvater von David Gumpert) über ein Jahr in Untersuchungshaft war, bevor ihm im Novmeber 1937 der Prozess wegen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz gemacht wurde.



Danach ging es mit dem Taxi in die Pallaswiesenstraße 153, wo sich einst die Dampftalgschmelze von Julius Joseph befunden haben soll.
Wie ich aber nach Abreise der Gumperts feststellen musste, waren wir am falschen Ort. Die Talgschmelze mit der Hausnummer 153 befand sich weiter außerhalb der Stadt (der Geruch des ranzigen Fetts!), dort, wo heute Hausnummer 203 zu finden ist. Auf alten Karten der Stadt Darmstadt konnte ich das rekonstruieren.

Thomas Schmirler und David Gumpert; Lunch im Ratskeller.

Zu Abschied von Jane und David trafen wir uns noch Mal alle im Restaurant von Henschel. Ein unvergessliches Treffen, voll Wärme und gegenseitiger Sympathie.



Am 13. November postet David folgen Beitrag auf facebook:
 

In a world where latent antisemitism is rapidly becoming blatant antisemitism, it was a surprising relief this past weekend to find warm support for Jews in Germany, of all places. In Darmstadt, my mother’s home town (near Frankfurt) that 85 years ago participated enthusiastically in Kristallnacht, the city rolled out the red carpet for a group of 60 Jewish descendants (along with one 95-year-old survivor) of Holocaust survivors from around Europe, Israel, and the U.S. It also provided plenty of security wherever we went—especially at the synagogue. Along with the mayor, several Christian Germans who have committed themselves to helping descendants like me piece together what happened to our families had done extensive research in advance of our arrival. They had also helped lay a Stolpersteine to memorialize my grandmother, who was a a Holocaust victim. They helped me locate the site of my grandfather’s meat rendering plant on the outskirts of Darmstadt that was stolen by the Nazis (now a wallpaper and paint store), the “Jew House” where my grandmother was forced to live after my grandfather was jailed, and the site of the prison where my grandfather served the first of his three-year sentence (just parts of the stone walls remain).  Why? One of them, Thomas, told me he wanted to "change his family karma"; his grandfather was a general in  the Wehrmacht and his mother a rabid antisemite.  Their kindness was palpable.
Members of our group spent time at several area high schools speaking in history classes about how the Holocaust affected our families.  There were tours of the city, services at the local synagogue, special dinners and lunches, all with a feeling of sincerity and kindness. In a talk at the re-built synagogue, the Darmstadt mayor, Hanno Benz, expressed worry that, despite lots of progress, “antisemitism is not marginal in Germany.” He pointed to a Jewish-owned store that had its windows broken on the recent anniversary of Kristallnacht. “Children are not born antisemitic. Whomever turns against our Jewish community turns against all of Darmstadt.” While everyone who attended the special event knew from grim experience that internal peace isn’t assured anywhere, at least for now, Germany is a leading light against antisemitism and a loyal friend of Israel.

Ein Ergebnis des Treffens war unter anderem, dass ich die Recherchen um die Familie Joseph fortführen werde. So gibt es noch einige Leerstellen zu füllen, zum Beispiel, warum das Unternehmen von Julius Joseph 1931 Pleite ging und welche Rolle der Cousin von Julius Joseph, der wohlhabende Bankier Würzweiler aus Mannheim, in der Familiengeschichte spielte. Inge Joseph erwähnt ihn in ihrem Buch an mehreren Stellen - nicht selten sehr negativ gefärbt.

Es bleibt also weiterhin spannend.

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