Quellen und Quellenkritik zu: Inge Joseph - A Girl's Journey ...

 in Arbeit; aktualisiert: 7.6.2023

Als eines der jüdischen "Kinder von La Hille" erscheint Inge Joseph auch bei anderen Autorinnen und Autoren. Die erste größere Veröffentlichung über das Schicksal dieser Kinder stammt von der Mitarbeiterin des Schweizerischen Roten Kreuzes in La Hille:

1975: Anne-Marie Imhof Piguet (die Schreibweise des Nachnamens variiert)

Anne-Marie Im Hof-Piguet: La filière en France occupée 1942–1944. Editions de la Thièle, Yverdons-les-Bains 1985. Deutsche Übersetzung: Fluchtweg durch die Hintertür: Eine Rotkreuz-Helferin im besetzten Frankreich 1942–1944. Im Waldgut, Frauenfeld 1987. 
Anne-Marie Im Hof-Piguet arbeitete vom Mai 1943 bis zum Mai 1944 im Schloss La Hille
"Ich bin am 6. Mai 1943 aufs Schloss gekommen.” (Fluchtweg..., S.91); 
Ihr Bericht über La Hille für die Zeit vor ihrer Ankunft bezieht sich nach eigenen Angaben S.67 und S.91 auf Informationen der ersten Leiterin, Rösli Näf, also auf “Hörensagen”. Vermutlich sind deshalb einige Angaben über "die blonde Inge" (S.78f) nicht mit der Darstellung der Ereignisse durch Inge Joseph selbst in Einklang zu bringen. 
Frau Im Hof-Piguet wurde 1990 als Gerechte unter den Völkern geehrt.
Nachlass Anne-Marie Im Hof-Piguet (1916-2010)

1992: Sebastian Steiger

Der zweite authentische Bericht über das Leben in La Hille stammt vom Schweizer Primarlehrer und Mitarbeiter des Schweizer Roten Kreuzes Sebastian Steiger, der als 25jähriger Lehrer Ende August 1943 nach La Hille kam und dort die jüngsten Kinder unterrichtete.
Sebastian Steiger: Die Kinder von Schloß La Hille. Brunnen Verlag, Basel 1992.

Seine authentischen Informationen beziehen sich ausschließlich auf diese Zeit. Zu Inge Joseph und ihrer Fluchtgruppe gibt es zwar ein eigenes Kapitel S.181-184; das aber ausschließlich auf Hörensagen beruht und in vielen Details weitgehend frei erfunden ist. Es enthält definitiv falsche Aussagen, so was den Zeitpunkt der ersten Flucht angeht (angeblich 21. Dezember), dem weiteren Verhalten Inge Josephs (angeblich ein dritter erfolgreicher Versuch im Mai 1943), sowie fiktive Dialoge innerhalb der Gruppe. Informationsquelle dafür war nach seinen eigenen Angaben Frau Schlesinger (S.140), Köchin im Schloss La Hille. Erstaunlicherweise zitiert er S.334 das Tagebuch von Kurt Moser, wo das Datum der Flucht Inges mit 31.12.1942 angegeben wird.
Sebastian Steiger wurde 1993 als Gerechter unter den Völkern geehrt.

1993: Gumpert, Leonore Joseph (geborene Lilo Joseph) 

Gumpert, Leonore Joseph (geborene Lilo Joseph): Eine schöne Stadt wenn man Geld hat. Nach einsamem Start ein gutes Leben in Amerika. 
In: Moritz Neumann/Eva Reinhold-Postina (Hrsg.): Das zweite Leben Darmstädter Juden in der Emigration. Ein Lesebuch. Darmstadt 1993, S. 71-73.
Die Schwester von Inge Joseph hat in einem kurzen Bericht ihre eigene Biographie dargestellt und dabei einige merkwürdige falsche Angaben über die Biographie ihrer Schwester gemacht. (Angebliche Flucht zu Fuß aus Brüssel, Unterbringung in einem Lager in Südfrankreich und Inge wurde nicht erst in den USA, sondern bereits in der Schweiz zur (Kinder-)Krankenschwester ausgebildet. Der Titelsatz bezieht sich übrigens nicht auf Darmstadt, wie man vermuten könnte, sondern auf Chicago!

1997: Ruth Schütz (auch: Ruth Uzrad / Ruth Usrad / עוזרד, רות)

Ruth Uzrad: “Entrapped Adolescence”, Hebräisch, 1997, ins Englische übersetzt von Walter Reed 

(Hinweis bei Friedländer, Die Kinder von La Hille, Anmerkung 2, S.333)
Vermutlich auch als:

Ruth Uzrad: A Girl Named Renee / Ein Mädchen namens Renee/ נערה ושמה רנה. Hebräisch 2006; Deutsch 2015 bei  Independently published (23. Dezember 2020). ISBN: 9798585719295.

Ruth Schütz war mit Inge Joseph schon im Kinderheim Général Belheim in Brüssel und eine ihrer engsten Freundinnen. Sie ist mit ihr und anderen Kindern über Seyre nach La Hille gekommen. 
Vera Friedländer hat S. 13-18 ausführlich über Ruths Lebensweg geschrieben.

2004: Inge J. Bleier/David E. Gumpert: Inge - A Girl’s Journey....

Problem: Was ist authentischer Bericht von Inge, was hat der Neffe eingefügt und aus Gesprächen mit Beteiligten ergänzt.

Gumpert schreibt in den Acknowledgments Seite X:

“Ich stützte mich auch auf Informationen aus zwei auf Deutsch erschienenen Büchern über verschiedene Aspekte der Erlebnisse von Inge und ihrer Freundin Fluchtweg durch die Hintertür (ursprünglich auf Französisch veröffentlicht als la Filière) von Anne Marie Im Hof-Piguet und Die Kinder von Schloss La Hille  (Die Kinder von Château la Hille) von Sebastian Steiger.  Sowohl Anne Marie als auch Sebastian haben sich während des Krieges für das Schweizerische Rote Kreuz um jüdische Kinder in Frankreich gekümmert, und beide haben mir auch großzügig für Interviews zur Verfügung gestanden.

Andere, die mit Inge verbunden sind, haben mir Zugang zu ihren Fotos gewährt, von denen einige in diesem Buch erscheinen.“ 

Im Nachwort (S. 266 ff.) gibt er Hinweise auf weitere Quellen seiner Forschungen. 1994 folgt er mit Frau und Kindern “Inges Spuren durch Europa” nach Darmstadt, Brüssel, Seyre und La Hille und trifft fast alle wichtigen Überlebenden. In Bern spricht er mit Rösli Näf und Margrit Tännler, mit Anne Marie Piguet und einer weiteren ehemaligen Mitarbeiterin des Schweizerischen Roten Kreuzes, Emi Ott. Rösli Näf trifft er sogar zweimal. Auch Alexander Frank trifft er dreimal, jeweils in den USA. Alexander Frank, der nach dem Krieg in die DDR emigriert war, bereiste nach dem Ende der DDR die ganze Welt und hielt Kontakt zu vielen Überlebenden von La Hille. Ende 1995 reiste er nach Israel und traf dort Ruth Schütz, Lotte Nussbaum, Ilse Brunell und auch eine ältere Schwester von Adele Hochberger, die nach dem Scheitern der ersten Flucht mit Inge nach Auschwitz deportiert worden war und von der man nichts wusste. Von seiner Mutter erhielt er schließlich die Briefe, die Inge aus Brüssel, Seyre und La Hille an ihre Schwester schrieb und in denen sie die fehlende Unterstützung aus den USA beklagte, die heute alle im Archiv des USHMM einsehbar sind und aus denen ich ebenfalls zitiert habe.

2015: Reed, Walter W. (=Werner Rindsberg) 

Reed, Walter W.: Children of La Hille - Eluding Nazi Capture During World War II (Modern Jewish History). Syracuse University Press; Illustrated Edition, 2015.
Walter Rindsberg verließ bereits im August 1941 mit Hilfe amerikanischer Quäker La Hille und emigrierte in die USA. Er wurde 1943 in die US-Army eingezogen und nahm am europäischen Krieg gegen Hitler-Deutschland teil. Nach dem Krieg hielt er Kontakt zu vielen ehemaligen Bewohnern von La Hille und organisierte einige Treffen in Frankreich. 
Sein Buch lag mir nicht vor.  Zur Biographie: Link

Weitere originäre Quellen:

Tagebuch von Edith Goldapper: USHMM
Tagebuch Kurt Moser: USHMM 
Aufzeichnungen/Fotos/Briefe an und von Alexander Frank
(verarbeitet und publiziert in: Vera Friedländer, Die Kinder von La Hille,...

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